=> Verfahren - Auswahl

Unterbringung psychisch Kranker

UNTERTITEL

Unterbringungsverfahren und vorherige Begutachtung

EINLEITUNG

Wer psychisch krank ist, kann – wenn er unterbringungsbedürftig ist – gegen seinen Willen in einem psychiatrischen Krankenhaus (anerkannte Einrichtung) untergebracht werden. In einer ärztlichen Untersuchung muss außerdem festgestellt werden, ob eine psychische Krankheit und Unterbringungsbedürftigkeit vorliegen.

Die nach dem Unterbringungsgesetz Untergebrachten werden so untergebracht, behandelt und betreut, dass der Unterbringungszweck bei geringstem Eingriff in die persönliche Freiheit erreicht wird. Sie haben allerdings diejenigen Maßnahmen zu dulden, die erforderlich sind, um Sicherheit und Ordnung in der anerkannten Einrichtung zu gewährleisten oder sie selbst zu schützen. Den Untergebrachten soll Gelegenheit zu sinnvoller therapeutischer Beschäftigung und Arbeit gegeben werden.

Es besteht ein Anspruch auf die notwendige Heilbehandlung. Diese umfasst auch Maßnahmen, die erforderlich sind, um dem Untergebrachten nach seiner Entlassung ein eigenverantwortliches Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen.

Der Untergebrachte ist über die beabsichtigte Unterbringung oder Behandlung angemessen aufzuklären. Er hat diejenigen Untersuchungs- und Behandlungsmaßnahmen zu dulden, die nach den Regeln der ärztlichen Kunst erforderlich sind, um die psychische Krankheit zu untersuchen und zu behandeln. Erfordert die Untersuchung oder Behandlung allerdings einen operativen Eingriff oder ist sie mit einer erheblichen Gefahr für Leben oder Gesundheit verbunden, darf sie nur mit Einwilligung des Untergebrachten oder gegebenenfalls seines gesetzlichen Vertreters vorgenommen werden.

Der Untergebrachte ist zu entlassen, wenn

  • die Unterbringungsfrist abgelaufen ist und nicht vorher die Fortdauer der Unterbringung angeordnet wurde,
  • die Anordnung der Unterbringung aufgehoben ist oder im Falle der fürsorglichen Unterbringung nicht spätestens bis zum Ablauf des Tages nach Eingang des Antrages bei Gericht die Unterbringung angeordnet ist,
  • der Grund für die Unterbringung weggefallen ist.

Die anerkannte Einrichtung hat bei Gericht gegebenenfalls rechtzeitig einen Antrag auf Fortdauer der Unterbringung zu stellen, wenn dies nach Ablauf der angeordneten Unterbringungsdauer erforderlich ist. Die Notwendigkeit der Fortdauer der Unterbringung ist durch ein ärztliches Zeugnis des Gesundheitsamtes oder eines Arztes mit psychiatrischer Gebietsbezeichnung zu belegen.

ZUSTAENDIG

für die Anordnung der Unterbringung: das Vormundschaftsgericht (Amtsgericht) auf schriftlichen Antrag der unteren Verwaltungsbehörde (Ordnungsamt)

Untere Verwaltungsbehörde ist,

  • wenn der Betroffene in einem Stadtkreis oder einer Großen Kreisstadt wohnt: die Stadtverwaltung
  • wenn der Betroffene in einer Gemeinde wohnt, die Aufgaben der unteren Verwaltungsbehörde wahrnimmt: die Gemeinde-/Stadtverwaltung einer der beteiligten Gemeinden
  • ansonsten: das für den Wohnort zuständige Landratsamt

Befindet sich der Betroffene bereits in einer anerkannten Einrichtung, ist auch diese antragsberechtigt.

VORAUSSETZUNG

Unterbringungsbedürftig nach dem Unterbringungsgesetz ("öffentlich-rechtliche Unterbringung") sind psychisch Kranke, die infolge ihrer Krankheit ihr Leben oder ihre Gesundheit erheblich gefährden oder eine erhebliche gegenwärtige Gefahr für Rechtsgüter anderer darstellen, wenn die Gefährdung oder Gefahr nicht auf andere Weise abgewendet werden kann.

Psychisch Kranke sind Personen, bei denen eine geistige oder seelische Krankheit, Behinderung oder Störung von erheblichem Ausmaß vorliegt, die auch in einer physischen oder psychischen Abhängigkeit von Rauschmitteln oder Medikamenten bestehen kann.

ABLAUF

Die Unterbringung, eine vorläufige Unterbringung aufgrund einer einstweiligen Anordnung oder eine Unterbringung zur Beobachtung und Erstellung eines Gutachtens werden vom Vormundschaftsgericht auf schriftlichen Antrag der unteren Verwaltungsbehörde angeordnet.

Die Ausführung der vom Gericht angeordneten Unterbringung, insbesondere die Auswahl einer geeigneten anerkannten Einrichtung, obliegt der unteren Verwaltungsbehörde. Bei der Auswahl sollen die Wünsche des Betroffenen, therapeutische Gesichtspunkte und der Grundsatz der Gemeindenähe angemessen berücksichtigt werden.

Sind dringende Gründe für die Annahme vorhanden, dass die Voraussetzungen für eine Unterbringung vorliegen, und erscheint eine sofortige Unterbringung erforderlich, kann eine anerkannte Einrichtung eine Person aufnehmen oder zurückhalten, bevor die Unterbringung beantragt oder angeordnet ist (fürsorgliche Aufnahme und Zurückhaltung). Die dringenden Gründe für die Annahme einer Krankheit und der Unterbringungsbedürftigkeit müssen durch das Zeugnis eines Arztes, der nicht Arzt der anerkannten Einrichtung ist, belegt werden, wenn der Einholung eines solchen Zeugnisses keine besonderen Gründe entgegenstehen.

Die fürsorglich aufgenommene oder zurückgehaltene Person ist unverzüglich von einem Arzt der anerkannten Einrichtung zu untersuchen. Bestätigt die Untersuchung die Annahme der Voraussetzungen für eine Unterbringung nicht, ist die Person sofort zu entlassen.

Falls eine weitere Unterbringung gegen den Willen des Betroffenen erforderlich erscheint, hat die anerkannte Einrichtung den Antrag auf gerichtliche Anordnung der Unterbringung unverzüglich, spätestens aber bis zum Ablauf des dritten Tages nach der Aufnahme oder Zurückhaltung abzusenden.

Bleibt der Betroffene freiwillig in der anerkannten Einrichtung, ist die Aufnahme einer vom Betroffenen genannten Person seines Vertrauens mitzuteilen, wenn der Betroffene nicht ausdrücklich widerspricht. Ein bereits gestellter Antrag auf gerichtliche Anordnung ist zurückzunehmen. Der Antragsrücknahme ist die Einwilligungserklärung des Betroffenen beizufügen.

UNTERLAGEN

Dem Antrag der unteren Verwaltungsbehörde ist eine Darstellung des Sachverhaltes und das ärztliche Zeugnis eines Gesundheitsamtes beizufügen, aus dem der derzeitige Krankheitszustand und die Unterbringungsbedürftigkeit ersichtlich sind.

Das Zeugnis des Gesundheitsamtes kann durch das Zeugnis eines Arztes einer anerkannten Einrichtung ersetzt werden – das Zeugnis muss von einem Arzt mit psychiatrischer Gebietsbezeichnung unterschrieben sein.

Liegt ein Zeugnis zum Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht vor, ist es unverzüglich nachzureichen.

Aus dem Zeugnis soll hervorgehen, ob der Betroffene ohne erhebliche Nachteile für seinen Gesundheitszustand durch das Gericht mündlich angehört werden kann; aus ihm soll ferner die voraussichtliche Behandlungsdauer ersichtlich sein.

Die untere Verwaltungsbehörde kann die ärztliche Untersuchung einer Person durch das Gesundheitsamt anordnen, wenn dringende Gründe für die Annahme vorhanden sind, dass bei dem Betroffenen die Voraussetzungen für eine Unterbringung vorliegen.

KOSTEN

Für die Tätigkeit der Verwaltungsbehörden werden keine Kosten erhoben.

Die Kosten einer nach dem Unterbringungsgesetz durchgeführten Unterbringung fallen dem Untergebrachten, seinem Kostenträger oder den Unterhaltspflichtigen zur Last.

SONSTIGES

Neben der "öffentlich-rechtlichen" Unterbringung nach dem Unterbringungsgesetz besteht auch die Möglichkeit einer "zivilrechtlichen" Unterbringung gemäß § 1906 BGB. Die "zivilrechtliche" Unterbringung erfolgt durch den Betreuer. Sie ist nur so lange zulässig wie sie zum Wohl des Betreuten erforderlich ist, weil aufgrund einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung des Betreuten die Gefahr besteht, dass er sich selbst tötet oder erheblichen gesundheitlichen Schaden zufügt. Gleiches gilt, wenn eine Untersuchung des Gesundheitszustandes, eine Heilbehandlung oder ein ärztlicher Eingriff notwendig ist, die ohne die Unterbringung des Betreuten nicht durchgeführt werden können und der Betreute aufgrund einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung die Notwendigkeit einer Unterbringung nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln kann.

Die "zivilrechtliche" Unterbringung ist nur mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes zulässig. Ohne die Genehmigung ist die Unterbringung nur zulässig, wenn mit dem Aufschub Gefahr verbunden ist (die Genehmigung ist unverzüglich nachzuholen). Der Betreuer hat die Unterbringung zu beenden, wenn ihre Voraussetzungen wegfallen. Er hat die Beendigung dem Vormundschaftsgericht anzuzeigen.

Eine weitere Form der Unterbringung psychisch Kranker aufgrund besonderer Rechtsvorschriften sind die freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung. Hat ein psychisch Kranker oder Suchtkranker (alkohol- oder drogenabhängige Person) eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit oder der verminderten Schuldfähigkeit begangen und ergibt eine Gesamtwürdigung, dass von ihm infolge seines Zustandes weitere erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind, kann das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt anordnen. Die Unterbringung erfolgt in forensischen Fachkliniken mit besonderen Sicherheitsvorkehrungen. Ziel der Unterbringung im Maßregelvollzug ist es, die zum Risiko gewordene psychische Erkrankung so zu behandeln, dass eine spätere Gefährdung der Allgemeinheit nicht mehr befürchtet werden muss.

RECHTSGRUNDLAGE